Bindungsarten: Was ist genau der Unterschied zwischen Canvas und Twill?
„Hey, du nähst ja gern und viel. Da kannst du mir sicher erklären, was der Unterschied ist zwischen Canvas, Twill und Jacquard, oder? Ich verstehe das nicht ganz.“
Des Öfteren werden mir solche Fragen von Freunden gestellt, die sich selbst an ein kleines Stoff-DIY wagen möchten, von der unglaublichen Fülle an Auswahlmöglichkeiten aber schnell überfordert sind. Meist beschreibe ich dann, wie sich die Stoffe anfühlen oder wofür die typischerweise gebraucht werden. „Na ja, Canvas ist solide und fest – perfekt für stabile Taschen. Twill ist ebenfalls robust, aber etwas fliessender und knittert nicht so stark, deshalb wird der gern auch für Kleidung verwendet. Deine Jeans, zum Beispiel. Jacquard ist edel und sieht schön aus, den verwendest du am besten dekorativ.“ Viel mehr kann ich dazu aber nicht sagen.
Mir wird in diesen Momenten gern bewusst, dass ich über die eigentlichen Unterschiede und Webarten der Stoffherstellung erstaunlich wenig Ahnung habe. Ich weiss jetzt, dass sich Twill und Canvas in erster Linie dadurch unterscheiden, wie die Fäden zum jeweiligen Stoff verwoben worden sind, denn daraus ergeben sich die charakteristischen Qualitäten und nicht umgekehrt. Falls es dir ähnlich wie mir ergeht oder falls du dein umfangreiches Wissen nochmals auffrischen möchtest, sind hier die wichtigsten Informationen zu den drei grossen Bindungsarten – Leinwand-, Köper- und Atlasbindung – zusammengefasst. Wenn dich also das nächste Mal jemand um Rat bezüglich der verschiedenen Webarten fragt, kannst du getrost auf diesen Artikel hier verweisen. 😉
Bindungsarten: Was ist genau der Unterschied zwischen Canvas und Twill?
„Hey, du nähst ja gern und viel. Da kannst du mir sicher erklären, was der Unterschied ist zwischen Canvas, Twill und Jacquard, oder? Ich verstehe das nicht ganz.“
Des Öfteren werden mir solche Fragen von Freunden gestellt, die sich selbst an ein kleines Stoff-DIY wagen möchten, von der unglaublichen Fülle an Auswahlmöglichkeiten aber schnell überfordert sind. Meist beschreibe ich dann, wie sich die Stoffe anfühlen oder wofür die typischerweise gebraucht werden.
Mir wird in diesen Momenten gern bewusst, dass ich über die eigentlichen Unterschiede und Webarten der Stoffherstellung erstaunlich wenig Ahnung habe. Falls es dir ähnlich wie mir ergeht oder falls du dein umfangreiches Wissen nochmals auffrischen möchtest, sind hier die wichtigsten Informationen zu den drei grossen Bindungsarten – Leinwand-, Köper- und Atlasbindung – zusammengefasst.
Vorab ein paar wichtige Begriffe
Du wirst hier im Text öfters die Bezeichnungen "Kett-" (weiss) und "Schussfaden" (blau) lesen. Der Kettfaden eines Stoffes ist jener, der zu Beginn in den Webstuhl eingespannt wird und entlang jenem der Stoff beim Weben entsteht. Die Kettfäden laufen also jeweils parallel zur Webkante. Der Schussfaden ist jener, der mithilfe des sogenannten Schiffchens durch die Kettfäden geschossen wird, deshalb der Name.
Reihe um Reihe entsteht so durch das Verweben der Schuss- mit den Kettfäden ein Stoff. Welche Gewebe dabei herauskommen, was diese unterscheidet und wofür die unterschiedlichen Webtechniken – auch "Bindungsarten" – verwendet werden, erfährst du hier.
Leinwandbindung: die Erste im Bunde
Beginnen wir mit der einfachsten, festesten und zugleich ältesten der drei Gewebearten. Die Leinwandbindung ist aus dem Flechten entstanden. Dabei wird ja die unterste Strähne oder Schnur über die anderen gelegt, dann die nächste, dann die nächste, bis nach und nach ein Zopf, eine Kordel oder Ähnliches entsteht. Die daraus abgeleitete Stoffherstellung bedient sich dem gleichen Prinzip: Jeder Kettfaden verläuft abwechselnd über und unter einem Schussfaden (und vice versa natürlich). Muster, die dabei in den Stoff mit eingewoben werden (oft durch unterschiedlich eingefärbte Garne), verlaufen entsprechen immer parallel oder im rechten Winkel zur Webkante.
Abwechslung bringt Farbe
Es gibt dabei natürlich auch Variationen: Bei der Panamabindung werden zum Beispiel mehrere Kett- und Schussfäden zugleich gewoben für ein extra robustes Gewebe. Beim Rips hingegen werden mehrere Schuss- (Querrips) oder Kettfäden (Längsrips) im selben Webfach miteinander verwoben, wobei sich der typische Look bildet. Eine dritte Variante ist die Gerstenkornbindung. Das dabei entstehende Gewebe zeichnet sich aus durch die gerstenkornartigen Erhebungen, die in den Stoff eingewoben werden.
Leicht bis schwer: von allem ist was dabei
Je nach Stärke und Materialzusammensetzung des verwendeten Garnes entstehen hierbei leichte Bekleidungs- oder robuste Polsterstoffe. Von Voile und Popeline, über Cretonne bis hin zu Heavy Canvas ist die Leinwandbindung in allen Gewichtsklassen vertreten – ein echter Alleskönner eben.
Köperbindung: die vielseitige Webart
Weiter geht’s mit der Köperbindung. Sie schafft besonders feste und strapazierfähige Stoffe und lässt sich anhand der charakteristischen Grate, die jeweils diagonal über den Stoff verlaufen, von den anderen Bindungsarten unterscheiden. Diese entstehen durch das „über-über-unter“ beim Verweben der Fäden zu einem Gewebe. Je nachdem, in welcher Reihenfolge die Bindungspunkte entstehen, verlaufen die Grate von links unten nach rechts oben (Z-Grate) oder von links oben nach rechts unten (S-Grate). Entsprechend verlaufen auch eingewebte Muster diagonal zur Webkante.
Bunte Muster werden gleich mit eingewebt
Anhand weniger Grundelemente entsteht eine grosse Vielfalt an Muster-Möglickeiten, die zum Beispiel mittels unterschiedlich gefärbten Garnen direkt im Stoff eingewebt werden. Man differenziert dabei zudem zwischen Ein- und Mehrgrat-Köpern, je nach Anzahl unterschiedlicher Grate. Die Verteilung der Kett- und Schussfäden an der Vorderseite entscheidet überdies, ob der Köper gleichseitig oder ungleichseitig ist – also ob er eine klare Vorder- und Rückseite hat oder nicht.
Überall anzutreffen
Die Köperbindung triffst du auch im Alltag oft an, so etwa bei Jeansstoffen, Twill oder Schottenkaros. Auch hier kann die Wahl der Garnstärke und des Materials die Robustheit und Haptik des Stoffes beeinflussen, wobei ganz feine Gewebe eher untypisch sind. Eine Gabardine ist zum Beispiel so eng verwoben, dass sie sogar wasserabweisend ist und Fischgrät-Stoffe findest du aus Baumwolle, Leinen, Wolle oder anderen Fasern in vielen unterschiedlichen Gewichten.
Durchstöbere unsere Stoffe mit Köperbindung
Atlasbindung: die elegante und ausgefallene
Zum Weben von Stoffen in der Atlasbindung werden typischerweise sehr feine Garne verwendet, wodurch die entstehenden Gewebe sehr dicht, glänzend und weich daherkommen. Die Bindungspunkte berühren sich dabei nicht. Somit entsteht ein zweiseitiges Gewebe (oft vorne glänzend und hinten matt) mit nur sehr schwach erkennbaren Graten. Die Atlasbindung bietet besonders viel Raum für (figürliche) Mustermöglichkeiten. Zudem werden zwei Untergruppen der Herstellung unterschieden: Wird innerhalb des Bindungsrapports nur ein Kettfaden pro Schuss gehoben, spricht man von einem sogenannten "Schussatlas". Wird aber nur ein Kettfaden gesenkt, wird das Gewebe als "Kettatlas" bezeichnet.
Stilvolle Variationen
Du bist auch schon dem einen oder anderen Stoff begegnet, der mithilfe der Atlasbindung entstanden ist. Wir sprechen hier von eleganten Satin- und Damststoffen, Duchesse und natürlich von Jacquard – doch letzterer sticht ganz besonders hervor.
Hier findest du unsere Schönheiten mit Atlasbindung
Ein kleiner Exkurs in die Etymologie: Woher stammt der Begriff "Atlasbindung"?
„Atlas“ ist ein heute im Handel nicht mehr gebräuchliches Synonym von "Satin". Es kommt aus dem Arabischen (atlas) und bedeutet "glatt" oder "kurzhaarig". Dies ist aber nicht zu verwechseln mit dem griechischen Wort "átlas", welches den mythischen Titanen beschreibt, der die Himmels-Sphäre auf seinen Schultern trägt, und in den Sprachen Eurasiens in Worten für schwere Geografie-Bücher, Gebirgszüge oder den Atlantischen Ozean erhalten bleibt.
Der Sonderfall Jacquard
Jacquardstoffe werden ebenfalls mit der Atlasbindung gewoben, für die sind aber spezielle Webstühle notwendig. 1785 wurde der erste mechanische Webstuhl vom Engländer Edmond Catwright erfunden.
Der französische Seidenweber Joseph Marie Jacquard verbesserte diesen am 19. April 1805 durch seine Erfindung der Webmaschine, welche mithilfe von Lochkarten (eine pro Schuss!) komplexe Muster in den Stoff einweben konnte. Dazu wurden jeweils einzelne Kettfäden hochgezogen. Das System ist heute noch das gleiche, nur dass die Konfiguration nicht mehr manuell und analog geschieht, sondern automatisch und computergesteuert.
Die griechische Mythologie hat noch mehr zum Thema beizusteuern
Darf ich vorstellen: Die inspirierende Schutzheilige aller Handarbeiten
Wir weilen noch etwas länger in der Welt der griechischen Götter und Helden und schauen uns an, was das Handwerk der Weberei (sowie viele weitere Handarbeiten) mit der olympischen Göttin Athena zu tun ha. Falls du schon einmal mit der Mythologie der griechischen Antike zu tun gehabt hast, kommt dir ihr Name bestimmt bekannt vor. Athena, manchmal auch Athene oder Pallas Athena genannt, ist die Göttin der Weisheit, der strategischen Kriegsführung und des Handwerks. Sie ist zudem die Namensgeberin und Schutzheilige der Stadt Athen.
Was hat das jetzt aber mit den Bindungsarten von Stoff zu tun? Mit dem Beinamen Ergane (Ἐργάνη, altgriechisch für "die Werkerin") wurde Athena als Göttin des Webens und allgemeiner als Beschützerin des Handwerks verehrt. Sie wurde von Homer auch als Arbeiterin beschrieben, die selbst webt und die Webkunst anderen lehrt. Sie ist sehr stolz auf ihr handwerkliches Geschick am Webstuhl. Sosehr sogar, dass sie Arachne – eine sterbliche Frau, die behauptete, besser und schöner weben zu können als Athena selbst – in eine Spinne verwandelt hat (von da kommt übrigens die wissenschaftliche Bezeichnung für die Achtbeiner). Mir selbst bereitet das eine riiiiiesengrosse Freude, dass unsere bunte DIY-Nische seit mehreren Jahrtausenden eine solch grosse und starke Frau als Schutzherrin ihr Eigen nennen darf.
Die Weisheit in Person
Übrigens: Auch das Wort „Inspiration“ (griechisch für „Einhauchen“) hat viel mit der griechischen Mythologie und Athena selbst zu tun. Die Sage erzählt, dass der Titan Prometheus auf Zeus’ Wunsch hin verschiedenste Menschen aus Lehm formen sollte, denen dann von Athena das Leben eingehaucht wird. Der Überlieferung nach wurden wir also buchstäblich von der Personifizierung der Weisheit, des Handwerks und der Kunst zum Leben inspiriert – ist das nicht schön?
Strickstoffe – der Vollständigkeit halber
"Fehlt da nicht was?"
Yep, eine ganze Menge – eine ganz andere Art der Stoffherstellung, um genau zu sein. Die drei hier vorgestellten Bindungsarten – Leinwand-, Köper- und Atlasbindung – werden alle zur Herstellung von Webstoffen verwendet. Wie es die Bezeichnung schon verraten mag, werden diese wie oben ausführlich beschrieben auf Webstühlen aus Schuss- und Kettfäden zu Meterware gewoben. Die sind typischerweise nicht dehnbar, eher robust und fransen an den Schnittkanten aus, wenn diese unversäubert bleiben. Ihnen gegenüber stehen die Strickstoffe wie Jersey oder Sweat. Die werden gerne für dehnbare und gemütliche Kleidung verwendet – von ganz klein bis ganz gross.
Wenn du deinen flauschigen Lieblings-Hoodie mal genauer anschaust, siehst du das feine Strickmuster im Material. Bei der Herstellung dieser Stoffe werden Garne zu Maschenware verstrickt – ähnlich wie es das Grosi bei den handgestrickten Wollpullovern macht, einfach viel, viel feiner. Durch die Schlaufenbildung fransen diese Stoffe auch nicht aus. Wenn die zugeschnitten werden, rollen sich aber gerne mal auf.
Unser Sortiment an Maschenware lässt nichts zu wünschen übrig
Na, hast du gut aufgepasst?
So, damit sollte alles Wichtige über die Stoffherstellung gesagt worden sein. Gehe hinaus in die Welt und verbreite dein (neu erworbenes) Wissen über die Bindungsarten der Weberei. Aber erst kannst du noch das kleine Quiz machen und schauen, wie viel von den Infos hier bei dir hängen geblieben ist: