Antonia und ihre 2000 Schätzeli: Eine Geschichte von Nadel, Faden und Engeli-Suppe

"Ach weisst du, ich bin nur ein halber Meter gross", scherzt sie auf die Frage, ob sie sich aus einem kleinen Stoffrest einen Pullover nähen könnte. Eine kleine Frau mit einem grossen Herzen: "Ich habe über 2000 Schätzeli", sagt sie mit einem Schmunzeln. Ein paar Augenblicke in Antonias Gesellschaft reichen aus um mir sicher zu sein: Ihr Herz ist gross genug für jedes Einzelne von ihnen.

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Wenn du sie fragst, wie alt sie ist, antwortet sie mit "58 – rückwärts". Antonia hat noch immer den Elan und die Schlagfertigkeit einer jungen Dame. Nichts kann sie aufhalten. Insbesondere nicht, wenn sie für ihre "Schätzeli" nähen oder kochen kann.

 

Heute Mittag ist es unser KREANDO-Team, das von ihren Kochkünsten profitieren darf. Ein langer Tisch, zwanzig Gedecke und eine mit Liebe gekochte Suppe... was will man mehr?

Antonia hat uns nicht einfach irgendeine Suppe gekocht, sondern eine "Engeli-Suppe". Damit diese aber auch ihren Namen verdient, müssen "nicht weniger als fünf verschiedene Gemüsesorten" darin eingekocht werden, erklärt Antonia ihrer gespannten Zuhörerschaft.

Aber wer genau ist Antonia und warum hat sie die Küche der USINE in Beschlag genommen?

Antonia ist in Salerno nahe Neapel in Italien aufgewachsen. Ihr Vater ist in den Krieg eingezogen worden und ihre Mutter ist mit ihr und ihren drei Brüdern allein zurückgeblieben. Sechs Jahre lang hat sie "bei den Nonnen" in der Nähe von Rimini gelebt. Dann, mit 25, steht der grosse Aufbruch gemeinsam mit ihrem Mann vor der Tür, der sie in die Schweiz führt.

 

Von Neapel nach Biel bringt Antonia einen Schatz mit sich, den sie seit 60 Jahren mit ihren "Schätzeli" teilt: Nähen, Stricken, Sticken - Sie ist eine Allrounderin in Sachen Handarbeit. 

In ihrem Gepäck bringt sie einen Schatz mit in die Schweiz, den sie seit 60 Jahren mit allen teilt und der ihr nie ausgeht: In ihrer Zeit im Kloster hat sie gelernt, mit allerlei Nadeln und Garnen umzugehen. Nähen, Stricken, Sticken – Antonia ist eine begabte Allrounderin in Sachen Handarbeit. Seit vielen Jahren lebt sie nun in der Nähe von Biel und ist Teil der KREANDO-Familie.

 

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Antonia kennt keine Pause. Als ich kurz innehalte, um ihr ein paar Fragen zu stellen, schnappt sie sich einen Waschlappen und beginnt energisch den Tisch zu wischen. "Bewegung ist das, was mich gesund hält", antwortet sie entschlossen, als ich ihr anbiete, sich einen Moment zu setzen.

Sie ist eine gute Seele, die immer bereit ist, uns auszuhelfen. Im Laufe der Jahre hat Antonia endlose Wimpelketten gebastelt, Schürzen genäht, Körbe gehäkelt und alle möglichen Arten sonstiger Arbeiten für KREANDO angefertigt. Ihr jüngstes Werk? Sie hat geduldig die 86 (!) Fadenenden vernäht, die wir beim Stricken unseres Winter-Team-Projekts – dem ewig langen und kunterbunten KREANDO-Schal – lose hängen gelassen haben.

Um ihr gebührend dafür zu danken, laden wir sie dazu ein, sich bei unseren Stoffresten zu bedienen. Aber Antonia kommt nicht mit leeren Händen zu Besuch in der USINE: an diesem Mittwoch beglückt sie uns alle mit ihren Kochkünsten!

 

"Stoff wegwerfen? Was? Aber das ist doch dumm!"

Nichts wird weggeworfen, alles wird verwertet

Nach dem Essen ist es an der Zeit, den Weg in Richtung Atelier anzutreten. Dort warten all die Stoffreste, die bei uns im Tagesgeschäft so anfallen. Wir verwandeln diese in Restepakete oder spenden sie für einen guten Zweck – ganz so, wie dies Antonia auch im Sinn hat. Um es mit ihren Worten zu sagen: "Stoff wegwerfen? Was? Aber das ist doch dumm!"

Kaum angekommen, sieht sie einen mit Kätzchen bedruckten Jersey: "Das wird ein Pyjama für ein Kind", sagt sie sofort. Wir öffnen immer mehr Kisten und schauen uns einen Coupon nach dem anderen an. Ganz egal wie klein das Stück auch sein mag, Antonia sieht immer Potenzial darin. Sie führt mich in die Kunst der Resteverwertung ein: Ein Flicken hier, eine Naht dort, und wenn dieses Stück Stoff nicht ausreicht, finden wir ein anderes, das dazu passt.

 

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Ihr Blick fällt auf einen leuchtend farbigen Baumwollstoff. Es ist Liebe auf den ersten Blick: "Ich liebe Orange!", sagt Antonia enthusiastisch. Sie erzählt mir von ihrer Bluse, die sie schon seit Jahren trägt und liebt. Bei einem Ausflug nach Deutschland hat sie einen Kurzwarenladen betreten und ihren Augen kaum getraut: Dort ist eine Spitze zum Verkauf gestanden, deren Farbe perfekt zum Orange ihrer geliebten Bluse passt! Antonia hat natürlich ein Stück davon mit nach Hause genommen und damit den Ausschnitt besagter Bluse verziert. "Alle dachten, ich hätte ein neues Kleidungsstück an", merkt sie freudig an.

 

"Den Ausschnitt mit Spitze verziert... und schon denken alle, ich hätte eine neue Bluse an."

Für wen oder für was sind all diese Reste?

Kehren wir zu dem Stoffberg zurück, der sich nach und nach auf dem Tisch im Atelier auftürmt. Für wen und für was sind diese Stoffreste bestimmt?

Antonia näht seit Jahren für verschiedene humanitäre Hilfswerke, darunter die Schweizer Berghilfe. Sie hat auch einige kleine Kleidungsstücke als Beispiele mitgebracht, die sie aus zuvor bei uns gesammelten Resten genäht hat. Stolz präsentiert sie uns die Früchte ihrer Arbeit: Kleider für Mädchen, eines niedlicher als das andere, keine zwei gleich. Eines wurde mit einer grossen, bunten Blume bestickt. Ein anderes ist mit Schrägband verziert, das mit Kontrasten spielt und das Outfit auflockert. Und wieder ein anderes Stück zeigt eine zarte Ton-in-Ton-Stickerei, die den Konturen des Kleidchens folgt.

 

Wenn Antonia sich für einen guten Zweck einsetzt, dann tut sie das mit ganzem Herzen. Und das alles macht sie aus Dingen, die andere einfach in den Müll werfen würden. Vielen Dank, Antonia, für deine inspirierende Vorbildlichkeit!

Los! An die Arbeit!

Als ich mich von unserem Gast verabschieden will, werfe ich ein Auge auf ihre Ausbeute. Sie folgt meinem Blick und sagt: "Jetzt bin ich nicht arbeitslos!". Dann fügt sie mit einem Seufzer hinzu: "Daran werden viele Kinder Freude haben."

Kleine Röcke, Hemden und Pyjamas - sie sieht in jedem Stück Stoff ein Potenzial. Aber jetzt ist es an der Zeit, dass Antonia auch an sich selbst denkt. Wir können sie zum guten Glück davon überzeugen, auch einige Stoffe auszusuchen, um daraus etwas Schönes für sich zu nähen. Denn einen Grossteil ihrer Garderobe, vom gestrickten Pullover bis zur selbstgenähten Hose, stellt Antonia mit ihren eigenen Händen her.

Mit 85 Jahren wimmelt es in ihrem Kopf noch immer von neuen Ideen: Sie spricht von Handtaschen, Tischdekorationen.... und verspricht uns schliesslich, bald wiederzukommen – diesmal aber mit einem Pastagericht. Pasta für zwanzig Personen kochen? "Kein Problem", versichert sie uns!

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